Mindestlöhne Billiglöhne, prekäre Arbeitsverhältnisse, Kath, Soziallehre dagegen

logo KSL

Katholische SozialLehre
Catholic Social Teaching
Autor: Ernst Leuninger
Stand: 18.11.2007

Thema der Seite: Prekäre Arbeit -  Billiglöhne


Mindestlöhne müssen gesichert werden

 

Mindestlöhne 2011

Situation

Nachdem auch die Bundeskanzlerin das Thema Mindestlöhne aufgegriffen hat, das in der CDU diskutiert wird, ist es wieder in aller Munde. Auch Karl-Josef Laumann, Chef der CDU-Sozialausschüsse, sieht sich darin bestätigt. Er  sei für einen allgemein verbindlichen Mindestlohn. Im November 2011 werde der CDU-Parteitag über einen entsprechenden Antrag abstimmen, und er nimmt an, dass es eine Mehrheit für eine verbindliche Lohnuntergrenze gibt.

Eine neue umfassende Studie in den USA hat ergeben, dass negative Auswirkungen wie Arbeitsplatzabbau nicht nachgewiesen werden konnten. Dies wird ja von interessierten Kreisen oft behauptet. Die Einkommen seien für die Betroffenen gestiegen. Das bestätigen auch sechs Forschungsberichte, die vom Bundesarbeitministerium in Auftrag gegeben wurden. Mindestlöhne sind nicht die großen Jobvernichter.

Es geht bei dieser Arbeit um die Würde der Arbeit. Ein gerechter Lohn im Sinne der katholischen Soziallehre muss den Arbeitenden und seine Familie standesgemäß ernähren und auch Rücklagen für Krankheit und Alter sowie Vermögensbildung sichern. In Deutschland gibt es Millionen von Menschen, die diesen Lohn nicht bekommen. 1,2 Millionen (nach einer Studie von Prognos) erhalten weniger als 5€ pro Stunde. weitere 2,4 Millionen bekommen einen Stundenlohn unter 7.10€.  Fünf Millionen erhalten weniger als 8,50€ pro Stunde. In einigen Wirtschaftszweigen ist dies besonders problematisch, weil sie über keine tarifvertraglich festgelegten Tarife verfügen (so Hotel- und Callcenter-Branche, Landwirtschaft und andere). Die Zahl der tarifvertraglich gesicherten Arbeitnehmer geht zurück, 1998 waren es im Westen noch 76% im Osten 63%, so sind es heute im Westen noch 65% und im Osten 51. Auch die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder nimmt in der Regel ab.

Eine Kommission aus Gewerkschaften und Arbeitgebern solle der Politik einen Satz für den Mindestlohn vorschlagen.

 

VOLL PREKÄR – TOTAL NORMAL?

Jeder fünfte Deutsche arbeitet für Billiglohn (2008)

So besagte es eine Meldung der dpa vom 18.4.08. Der Niedriglohnsektor in Deutschland wächst und könnte schon bald amerikanische Dimensionen erreichen. Im Jahr 2006 war mehr als jeder fünfte Beschäftigte gering bezahlt.

„Seit 1995 erhöhte sich der Anteil der Niedriglöhner von 15 auf 22,2 Prozent - ein Anstieg um 43 Prozent." Dies sind Ergebnisse aus einer Länderstudie des Duisburger Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg-Essen.

Danach lag Deutschland 2005 etwas über dem britischen und nur noch knapp unter dem amerikanischen Niveau. Schon heute arbeiten der Studie zufolge 6,5 Millionen Beschäftigte für wenig Geld. «Die Befunde für die Bundesrepublik sind besorgniserregend», sagte IAQ- Direktor Gerhard Bosch der «Frankfurter Rundschau». Wenn die Politik nicht gegensteuere, könne der Niedriglohnsektor in Deutschland «größer werden als in den USA (25%), wo jeder Vierte Geringverdiener ist».

Gründe für die Entwicklung sieht Bosch darin, dass eine «wachsende Zone des Arbeitsmarktes» nur noch schwach oder gar nicht mehr reguliert sei, «weil die Unternehmen nicht tarifgebunden oder die Gewerkschaften zu schwach sind». Dies gelte vor allem im privaten Dienstleistungssektor. Verstärkt habe den Trend auch die Hartz-IV-Gesetzgebung, die Deregulierung der Zeitarbeit und die politisch gewollte Förderung der Mini-Jobs.

Als Niedriglohn gilt ein Verdienst von weniger als zwei Dritteln des mittleren Stundenlohns. Die Schwelle lag danach 2006 in Westdeutschland bei 9,61 Euro und bei 6,81 Euro im Osten. Das Institut zog zur Berechnung sämtliche Jobs inklusive Mini- und Nebenjobs heran.

In diesem Zusammenhang klingt es makaber, dass die Trägerarbeitsgemeinschaften in Caritas und Diakonie sich gegen Mindestlöhne ausgesprochen haben. Dies löste berechtigter Weise ein Sturm der Entrüstung aus. Die Verbände selbst haben die Beschluss noch nicht gefasst. Domradio Köln sagt dazu:

„Innerhalb der Caritas wird offenbar über die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes für die Pflegebranche gestritten. Caritas-Präsident Peter Neher distanzierte sich am Freitag von der ablehnenden Haltung des Arbeitgeberverbandes der katholischen Wohlfahrtspflege. Ähnlich äußerte sich im Domradio der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Prof. Georg Cremer.

„Zur Frage eines Mindestlohns in der Pflege hat sich die Caritas noch nicht abschließend positioniert“, so Neher. Verschiedene Pflegeverbände und die Gewerkschaft ver.di haben am 31. März beim Bundesarbeitsministerium die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes beantragt.
Daraufhin erklärten die Arbeitgeberverbände von Caritas und Diakonie in einer gemeinsamen Mitteilung am Donnerstag, dass sie dies ablehnen. Die beiden Verbände, die Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen und der Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland, vertreten nach eigenen Angaben die Interessen ihrer Mitglieder mit mehr als 430.000 Beschäftigten.“

Billiglöhne widersprechen der Katholischen Soziallehre, die von Anfang an gefordert hat, dass ein gerechter Lohn den Arbeitenden und seine Familie standesgemäß ernähren müsse und auch Rücklagen für Krankheit und Alter sowie Vermögensbildung sichern müsse.

Deshalb muss ein Mindestlohn, wie in vielen anderen Ländern gesichert werden.

 

 

 

 

VOLL PREKÄR – TOTAL NORMAL?

DIE ARBEITSREALITÄTEN WAHRNEHMEN

1.    Zu Situation und ersten Bewertungen

 

„Arbeit unter prekären Bedingungen hat in der jüngsten Zeit stark zugenommen. Immer mehr Menschen arbeiten für geringe Löhne (häufig unter dem Existenzminimum), können ihre Zukunft nicht zuverlässig planen und haben geringe oder keine Arbeitneh­merschutzrechte. Viele leben unter diesen Bedingungen - und viele weitere sind vom Abstieg in prekäre Beschäftigung bedroht."

In diesem Band wird das „Prekariat“ beschrieben. An Beispielen aus Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden werden die heutigen Arbeitsrealitäten wahrgenommen.

Aber: Arm trotz Arbeit - das muss nicht sein. Es wird gezeigt, wie prekäre Beschäfti­gung („eine Art moderne Sklaverei“ schreibt Zinn) langfristig abgeschafft werden kann bzw. welche kleinen Schritte auf dem Weg dahin notwendig sind.

Die hier versammelten Autorinnen und Autoren schreiben sowohl aus der Perspektive der Wissenschaft als auch aus Sicht der Betroffenen. Aus beiden Perspektiven wird deutlich, dass prekäre Beschäftigung ein menschenverachtender Zustand ist, der in unserer Gesellschaft untragbar geworden ist.“ So wird das Jahrbuch für Arbeit und Menschenwürde (Bd. 7, 2006)  Hrsg. von der wissenschaftlichen Arbeitsstelle des Nell-Breuning-Hauses () eingeleitet.

 

Nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stitfung
gibt es 2007 „Über fünf Millionen "Prekarianer"

Als prekär gelten Arbeitsverhältnisse, wenn ihnen im Vergleich zum Normaljob etwas Wichtiges fehlt: Der Lohn kann die Existenz nicht sichern; die soziale Absicherung und die üblichen Arbeitnehmerrechte wie Kündigungsschutz oder Betriebsratswahlrecht sind eingeschränkt beziehungsweise gar nicht vorhanden; eine Integration in soziale Netze der Arbeitswelt ist unmöglich. Insgesamt dürften über fünf Millionen Menschen - rund 15 Prozent der Beschäftigten - betroffen sein.

Nährboden für das sogenannte Prekariat ist die Zunahme von Arbeitsverhältnissen, die nicht dem traditionellen Standard entsprechen: Vollzeit, Tariflohn, unbefristet, Kündigungsschutz. Zwar ist nicht jeder atypische Job prekär, aber er könnte es werden, zum Beispiel weil bei einem Geringverdiener oder einer Teilzeitarbeiterin eine anderweitige Unterhaltsquelle plötzlich wegfällt.

 

Besonders gefährdet sind:

  • Befristete Beschäftigung
  • Geringfügige Beschäftigung
  • Leiharbeit oder Zeitarbeit
  • Niedriglohnbeschäftigung
  • Praktikumsverträge
  • Teilzeitarbeit

 

Die Zuwächse im Abbau der Arbeitslosigkeit dürften vor allem auf dem Wachsen solcher prekärer Arbeitsverhältnisse beruhen.

Auch "Die Gewerkschaften werden sich mit dieser Entwicklung nicht abfinden", sagte DGB-Bundesvorstandsmitglied und Podiumsgast Annelie Buntenbach. Sie forderte in einem Siebenpunkte-Katalog:

  1. einen Mindestlohn, "der zumindest vor der schlimmsten Ausbeutung schützt und den Missbrauch von Hartz IV als Lohneinsparsystem für Arbeitgeber beendet".  
  2. die Aufnahme der Leiharbeitsbranche in das Entsendegesetz. Dies hätte zur Folge, dass für alle Zeitarbeiter der vom DGB ausgehandelte Tarifvertrag gelten würde. Dumpinglöhne haben dann keine Chance mehr.
  3. Minijobs zu fördern hat keinen Sinn. Subventionen für Arbeitsplätze sollen nur für dauerhaft existenzsichernde und sozial abgesicherte Beschäftigungen gezahlt werden.
  4. klare gesetzliche Regelungen für Praktika, z.B. klare zeitliche Begrenzungen
  5. einen gesetzlichen Anspruch auf Übernahme für befristet Beschäftigte, wenn im Unternehmen Arbeitskräftebedarf vorhanden ist
  6. Einbeziehung der Selbstständigen in die soziale Sicherung durch eine Bürgerversicherung
  7. Ein-Euro-Jobs nur für klare arbeitsmarktpolitische Ziele einzusetzen. Sie müssten - wie vom Gesetz vorgeschrieben - die Ausnahme bleiben. Wenn darüber hinaus Projekte öffentlich gefördert werden sollen, muss die Beschäftigung sozialversicherungspflichtig sein und ein Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde gezahlt werden.

Die Lösungsansätze und Forderungen hat der DGB in der Broschüre
ausführlich zusammengefasst.

Prekäre Arbeitverhältnisse und Kinderarmut z.B. sind gestiegen, Dank der anziehenden Konjunktur ist im vergangenen Jahr auch die Zahl der Millionäre in Deutschland gestiegen. Nach einer weltweiten Studie des Investmenthauses Merrill Lynch in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Capgemini gab es bundesweit rund 798.000 Anleger mit einem Privatvermögen von über einer Million US-Dollar. Das sei ein Plus von 31.000 oder 4,1 Prozent. Ein Jahr zuvor hatte Deutschland mit 0,9 Prozent noch eine der niedrigsten Wachstumsraten der Welt gehabt.

 

2. Zur Bewertung aus der Katholischen Soziallehre

Die Situation ist nicht nur in Deutschland so, sondern in den meisten Ländern Europas und auch weltweit als Folge der Globalisierung. Nach der Soziallehre ist Arbeit eine Menschenwürde und Kapital ein Werkzeug. Dies kehrt sich um, sharholder-value (Kapitaleigentum und -gewinn) hat offensichtlich als einziges Bedeutung, Arbeit ist möglichst zu reduzieren, dann steigt der Ertrag der Spekulation.

Das entspricht nicht der Soziallehre. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" (Freude und Hoffnung) ausgesagt, dass auch im Wirtschaftsleben die Würde der menschlichen Person und das Wohl der gesamten Gesellschaft zu achten und zu fördern sei, da der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft sei (63). Er ist auch Herr des wirtschaftlichen Fortschritts, der einer Lenkung bedarf, nicht im Sinne des missverstandenen Liberalismus oder Kollektivismus, sondern im Verbund von einzelnen freien Gruppen, freien Initiativen und Maßnahmen der öffentlichen Gewalt (65), (Bei kirchlichen Texten werden immer Nummern angeben, sie stehen hier in der Klammer. Falls der Text in Bundesverband KAB Hg., Texte zur katholischen Soziallehre 1992 8.Auflage (zitiert = Texte zur Soziallehre) folgt kein weiterer Verweis außer der Nummer oder ggf. auf das Internet.). Große sozialökonomische Unterschiede sind abzubauen. Eindeutig wird erklärt: "Die in der Gütererzeugung, der Güterverteilung und in den Dienstleistungsgewerben geleistete menschliche Arbeit hat den Vorrang vor allen anderen Faktoren des wirtschaftlichen Lebens, denn diese sind nur werkzeuglicher Art.

Weiter heißt es: „ Die Arbeit nämlich, gleichviel, ob selbständig ausgeübt oder im Lohnarbeitsverhältnis stehend, ist unmittelbarer Ausfluß der Person, die den stofflichen Dingen ihren Stempel aufprägt und sie ihrem Willen dienstbar macht. Durch seine Arbeit erhält der Mensch sein und der Seinigen Leben, tritt in tätigen Verbund mit seinen Brüdern und dient ihnen; so kann er praktische Nächstenliebe üben und seinen Beitrag zur Vollendung des Schöpfungswerkes Gottes erbringen (67)." Er wird darauf verwiesen, dass er sich mit der Arbeit in das Erlösungswerk einbringt, da auch Jesus gearbeitet habe. Dadurch habe dieser der Arbeit eine einzigartige Würde verliehen (67).

Zu prekären Arbeitsverhältnissen gab Papst Benedikt XVI. kürzlich eine Erklärung ab über die in Radio Vatikan berichtet wurde: Prekäre Arbeitsverhältnisse sind auf längere Sicht eine Bedrohung für die ganze Gesellschaft. Das schreibt Papst Benedikt in einer Botschaft an Italiens Katholiken zu ihrer "Sozialwoche". Instabile Anstellungsverhältnisse sprächen für einen "ethischen und sozialen Notstand" und unterminierten den Zusammenhalt in der italienischen Gesellschaft, die zu den kinderärmsten in Europa zählt. Vor allem kritisiert Benedikt, dass die Unsicherheit am Arbeitsplatz es jungen Leuten erschwere, eine Familie zu gründen.“

Es ist alte Tradition der Soziallehre, dass mit den Erträgen der Arbeit der eigene Lebensunterhalt und der der Familie sowie Krankheit und Alter gesichert werden müssen. Das ist in den prekären Arbeitsverhältnissen nicht mehr gewährleistet.

3.    Forderungen

Einige Forderungen seien hier kurz aufgeführt:

1.     Es muss ein Existenz sichernder Mindestlohn einführt werden

2.     Alle Arbeitsverhältnisse bedürfen der rechtlichen Rahmenbedingungen wie z.B. Kündigungsschutz

3.     Arbeiter aus anderen Ländern müssen gerecht bezahlt werden

4.     Es bedarf der klaren rechtlichen Regelungen für Praktika

Auch europaweit und weltweit müssen entsprechende Normen gegen prekäre Arbeitsverhältnisse entwickelt werden.

Die KAB (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung) geht weiter und fordert zur Absicherung der arbeitenden Menschen ein Grundeinkommen: „Die seit einiger Zeit in der KAB geführte Grundsicherungsdiskussion muss im Zusammenhang mit einer erweiterten Definition von Arbeit und dem Übergang von der Erwerbsarbeitsgesellschaft zur Tätigkeitsgesellschaft gesehen werden. In den Positionen des Bundesverbandstages 1999 in Regensburg4 und des 1. Europäischen Frauenkongresses 2002 in Köln wird das Leitbild einer sozial gerechten Gesellschaft weiterentwickelt, das über Deutschland hinaus europäische und internationale Bedeutung hat: Grundlage der Tätigkeitsgesellschaft ist demnach ein umfassendes Verständnis von Arbeit, das die Dominanz der Erwerbsarbeit überwindet und die unterschiedlichen Formen von Arbeit als gleichwertig anerkennt. Weiterhin geht es um die Entwicklung von integrierten Lebens- und Arbeitsentwürfen, die Frauen und Männern mehr individuelle Möglichkeiten und Chancen bieten, die verschiedenen Arbeitsbereiche miteinander zu vereinbaren und in wechselnden Lebenssituationen unterschiedliche Schwerpunkte setzen zu können. Grundlegende Voraussetzung für die Umsetzung dieses Leitbildes ist, dass die Existenz- und soziale Sicherung nicht mehr allein über Erwerbsarbeit geregelt, sondern durch andere Formen ergänzt wird. Im Grundsatzprogramm der KAB heißt es dazu: “Sie (die KAB) begrüßt Konzepte, die materielle Existenzsicherung unabhängig von der Erwerbsarbeit sichern wollen. Es geht um die Entwicklung eines Grundeinkommensmodells, das ein Recht auf Einkommen für alle BürgerInnen garantiert, Übergänge zwischen den verschiedenen Formen von Arbeit gestaltet und gesellschaftliche Teilhabechancen sichert.“